Informationsveranstaltung in Unterstadion und Hohentengen

„In unserem Dorfkern leben!” ist das Motto unseres Leitprojekts. 26 Gemeinden haben sich zusammengefunden um innovative Projekte der Innenentwicklung anzugehen und sich miteinander über gemeinsame Problemstellungen und Lösungsmöglichkeiten auszutauschen.

Mit den beiden Informationsveranstaltungen am 22. und 23. Oktober 2008 gab die LEADER Aktionsgruppe Oberschwaben Impulse für das Leben und Wohnen im Dorfkern.

In Unterstadion folgten etwa 70 Personen der Einladung, in Hohentengen waren etwa 50 Veranstaltungsteilnehmer anwesend. Die meisten Besucher waren Gemeindeverantwortliche aus dem LEADER-Aktionsgebiet, darunter Bürgermeister, Ortsvorsteher und Gemeinderäte.

Im ersten Teil des Abends wurden Beispiele präsentiert, und zwar zu den Themen:
  • Aktivitäten für das Leben im Dorf,
  • Die Gemeinde als Flächenmanager,
  • Umnutzung und Gestaltung von Gebäuden,
  • Argumente für das Leben und Wohnen im Dorfkern.

Sie waren von der Arbeitsgruppe MURMEL, die das Rahmenprojekt wissenschaftlich begleitet, recherchiert und aufbereitet worden. Die im Rahmen des LEADER-Projekts entstehende Dokumentation enthält Beispiele aus der Region Oberschwaben, vorwiegend aus den am LEADER-Aktionsgebiet beteiligten Landkreisen Biberach, Alb-Donau-Kreis und Sigmaringen. Eine erste Auswahl wurde bei den beiden Veranstaltungen gezeigt, wobei kurze Filmsequenzen mit Erläuterungen der Beispielgeber die Ausführungen der Referenten illustrierten. Außerdem erhielten die Veranstaltungsteilnehmer eine Broschüre mit Informationen und Bildmaterial zu den vorgestellten Beispielen.

Die Präsentation der Beispiele sollte zu Gesprächen im LEADER-Dorfkern-Café im zweiten Teil des Abends anregen. An mehreren moderierten Cafétischen wurde interessiert und engagiert über die zentralen Fragen diskutiert, die durch die Beispiele aufgeworfen wurden:

 

1. Wie erhaltenswert ist das Alte, wie orts(-bild)gerecht ist das Neue?
Grundsätzliche Thesen waren, dass das Alte eine neue Funktion braucht, um erhaltenswert zu sein und dass der Erhalt aus historischen Gründen wichtig sein kann. Vorgaben der Gemeinde sollten nicht zu restriktiv sein, um nicht abschreckend zu wirken, andererseits sollte auch nicht alles erlaubt sein. Erforderlich ist das Aufmerksam Machen auf Erhaltenswertes durch städtebauliche Beratung und schließlich ist auch der Mut zu Neuem wichtig. Eine historische Ortsanalyse kann helfen, um das Bewusstsein für das Alte zu schärfen.

 

2. In welcher Weise kann oder soll eine Gemeinde als Flächenmanager auftreten?
Die meisten der Gesprächsteilnehmer waren der Meinung, dass die Gemeinde einen Rahmen beim Flächenmanagement vorgeben sollte. Einige Anwesende stellten eigene Strategien zur Aktivierung von Flächen vor oder machten entsprechende Vorschläge. Dazu gehörten:

  • Maßvolles Ausweisen von Neubaugebieten, um die Attraktivität des Dorfkerns durch Neubaugebiete nicht zu schmälern.

  • Bestandsanalysen von Flächenpotenzialen schaffen einen Überblick.

  • Steuerungsinstrumente können sein: Verkauf von Flächen im neu erschlossenen Baugebiet zu einem höheren Preis als im Innenbereich, Zahlen von Prämien bei der Schaffung von Wohnraum im Innenbereich, Vorhalten von Grundstücken in erster Linie für die eigene Bevölkerung.

  • Die Gemeinde sollte dann eingreifen, wenn kleine Flächen zusammengelegt oder zu große Flächen aufgeteilt werden sollen.

  • Ein Bebauungsplan als Steuerungsinstrument für die Aktivierung von Flächen im Dorkern kann dann sinnvoll sein, wenn die Fläche groß genug ist und die Gemeinde die Umsetzung ihrer Vorstellungen sichern will.

  • Aktivierung ist möglich durch ein Bewusstsein des Wertes des Dorfkerns und bessere Vermarktung der Flächen im Dorfkern nach außen, z.B. auch für „Liebhaber” oder Gewerbetreibende über das Internet.

Grunderwerb durch die Gemeinde ist noch nicht überall üblich und hängt von der finanziellen Ausstattung der Gemeinde sowie von der Abwägung der Wichtigkeit im Vergleich mit anderen Investitionen der Gemeinde ab. Schwierig ist die Ermittlung des Wertes eines Grundstücks bzw. Gebäudes, hier bestehen z. T. Probleme bei der Aktivierung aufgrund unterschiedlicher Sichtweisen von Käufer und Verkäufer. Wichtige Prämisse ist: es muss auch finanziell lohnenswert sein, im Dorfkern zu investieren oder zu bauen. Andererseits sind aber auch Idealismus von Einzelnen und langer Atem der Verantwortlichen erforderlich.

 

3. Durch welche Aktivitäten entsteht Lebensqualität im Dorf?
Die wichtigsten Aktivitäten für Lebensqualität im Dorf sind nach Meinung der Gesprächsteilnehmer:

  • Schaffung und Erhaltung von Infrastruktur,

  • Organisation des Vereins- und Dorfgemeinschaftslebens und dadurch Bindung „aktiver Leute” an den Ort,

  • Motivation, Koordination, Netzwerkbildung, Schaffung von Anlaufstellen und Kom-munikationsplattformen durch die Gemeinde,

  • Vereine als Bauherren von Gemeinschaftseinrichtungen,

  • Zulassen / Ermöglichen von Spielen, Leben und Lärm von Kindern und von Treffpunkten / Dorfplätzen, an denen man sich gerne aufhält.

Problematisch gesehen wurde die Konkurrenz von Ehrenamt und privatwirtschaftlichen Aktivitäten, z.B. bei Gaststätten und Dorfgemeinschaftshäusern. Eine Empfehlung hierzu war die Vereinbarung von Zusammenarbeit, indem z.B. eine Gaststätte das Catering für die Veranstaltungen in den Dorfgemeinschaftshäusern übernimmt.

 

4. Was sind wichtige Argumente für das Leben und Wohnen im Dorfkern?
Eine Vielzahl von Argumenten für das Leben und Wohnen im Dorfkern wurde gesammelt:

  • der Dorfkern als „Schmelztiegel”, in dem mehrere Generationen zusammen kommen, der lebendig ist, über Verweilmöglichkeiten verfügt, Atmosphäre hat und wo man „alles Wichtige mitkriegt”,

  • der Dorfkern bietet durch das Gemeinschaftsleben auch Sicherheit,

  • die bestehende Infrastruktur im Dorfkern ist essentiell,

  • das Vorhandensein verschiedener Nutzungen hat besonderen Reiz,

  • die Möglichkeit von Identifikation mit gewachsener Struktur und durch besondere Gebäude,

  • es sind keine zusätzlichen Erschließungskosten beim Bauen im Dorfkern erforderlich.


5. Wie wichtig ist finanzielle Förderung für die Umsetzung von Dorfentwicklungs-projekten, wie notwendig sind andere Faktoren für das Gelingen?

  • Die finanzielle Förderung von investiven Vorhaben wird als wichtiger Anreiz und als Motivation für die Dorfgemeinschaft sowohl bei Gemeinschaftsgebäuden als auch bei Privatgebäuden gesehen. Diese sollte möglichst flexibel gestaltbar sein und z.B. auch Eigenleistungen und Abrisskosten für Neunutzungen förderfähig machen. Gerade bei der Umnutzung alter Gebäude, auch großer, ehemals landwirtschaftlicher Gebäude sollen Beispiele aufgezeigt werden, wie günstiges Bauen möglich ist.

  • Eine Kombination aus Eigenleistung und Zuschuss erscheint Erfolg versprechend.

  • Vereine und Leben im Dorf sind essentielle Voraussetzung für die Umsetzung von Projekten. Das Ehrenamt benötigt auch Anerkennung.

  • Eine funktionierende Dorfgemeinschaft kann Motivation sein. Diese gilt es zu halten bzw. zu entwickeln, sowohl mit Hilfe von Infrastruktur (Gemeinschaftshäuser, Dorfplatz, Ruhe-/ Gemeinschaftszonen…) als auch mit Hilfe von organisatorischen Maßnahmen wie einer Nachbarschaftshilfe oder Vereinen.

  • Die Menschen im Dorf brauchen eine Perspektive, Visionen und ein Gesamtkonzept für ihr Dorf. Diese gilt es zu entwickeln, zu diskutieren und immer wieder zu präsentieren. Dieser Prozess soll für die Bürger transparent gestaltet werden und die Möglichkeit zur Teilnahme bieten.

Es war für alle Beteiligten klar, dass die vorgestellten Beispiele nicht einfach von einem Ort auf den anderen übertragbar sind. Für die Veranstalter der beiden Abende war es wichtig, bestimmte Erfolgsfaktoren, Strategien und Herausforderungen für das Leben und Wohnen im Dorfkern gemeinsam mit den Anwesenden herauszuarbeiten und bewusst zu machen. Dieses Ziel ist weitgehend erreicht worden, wie die überwiegend positiven Rückmeldungen der Teilnehmer zeigen. Nun liegt es an den Teilnehmern der Veranstaltungen, als Multiplikatoren der Erkenntnisse den Diskussionsprozess über das Leben und Wohnen im Dorfkern aufrecht zu erhalten.

 

Von allen Cafétisch-Runden wurden kurze Protokolle angefertigt, die bei Interesse über die LEADER-Geschäftsstelle angefordert werden können. Von der Beispiel-Broschüre gibt es - ebenfalls bei der LEADER-Geschäftsstelle - noch Rest-Exemplare. Eine Neuauflage der Broschüre wird es Anfang des Jahres 2009 geben.

Diese Zusammenfassung wurde von Frau Dr. Barbara Malburg-Graf für die Arbeitsgruppe MURMEL am 07.11.2008 erstellt.

Die Presse berichtete ausführlich über diese Veranstaltungen. Wir haben für Sie eine Auswahl angefügt:

Veranstaltungshinweise im Vorfeld:

SZ Ehingen 22.10.2008

SZ Sigmaringen 23.10.2008

Berichte über die Veranstaltung:

Südwestpresse Ulm 24.10.2008

SZ Ehingen 24.10.2008

SZ Sigmaringen 28.10.2008