Erkenntnisse aus dem LEADER-Dorfkern-Café PDF Drucken E-Mail
ein Rückblick auf die Informationsveranstaltungen am 22. und 23. Oktober 2008

Die beiden Informationsveranstaltungen im Projekt „In unserem Dorfkern leben!“ richteten sich an alle Interessierten im LEADER-Aktionsgebiet. In Unterstadion folgten etwa 70 Personen der Einladung, in Hohentengen waren es 50 Teilnehmer. Zu Beginn des Abends präsentierte die Arbeitsgruppe MURMEL in Kooperation mit der LEADER-Geschäftsstelle Oberschwaben einen Teil der in dieser Broschüre dokumentierten Beispiele. Kurze Filmsequenzen mit Erläuterungen der Beispielgeber illustrierten die Ausführungen.

 Ein Ziel des Abends war, Erfolgsfaktoren, Strategien und Herausforderungen für das Leben im Dorfkern gemeinsam mit den Anwesenden herauszuarbeiten. Die Präsentation der Beispiele sollte zu Gesprächen im LEADER-Dorfkern-Café im zweiten Teil des Abends anregen. An den moderierten Cafétischen wurde interessiert und engagiert über zentrale Fragen diskutiert, die durch die Beispiele aufgeworfen wurden. Jeder Teilnehmer hatte die Möglichkeit, sich über zwei verschiedene Themen mit anderen Veranstaltungsgästen auszutauschen. Hier ein Eindruck von den Meinungen und Vorschlägen der Teilnehmer, die von den Moderatoren festgehalten wurden:

1. Durch welche Aktivitäten entsteht Lebensqualität im Dorf?

Die wichtigsten Aktivitäten für Lebensqualität im Dorf sind nach Meinung der Gesprächsteilnehmer:
  • Schaffung und Erhaltung von Infrastruktur,
  • Organisation des Vereins- und Dorfgemeinschaftslebens und dadurch Bindung „aktiver Leute“ an den Ort,
  • Motivation, Koordination, Netzwerkbildung, Schaffung von Anlaufstellen und Kommunikationsplattformen durch die Gemeinde,
  • Vereine als Bauherren von Gemeinschaftseinrichtungen,
  • Zulassen / Ermöglichen von Spielen, Leben und Lärm von Kindern und von Treffpunkten / Dorfplätzen, an denen man sich gerne aufhält.

Problematisch gesehen wurde die Konkurrenz von Ehrenamt und privatwirtschaftlichen Aktivitäten, z.B. bei Gaststätten und Dorfgemeinschaftshäusern. Eine Empfehlung hierzu war die Vereinbarung von Zusammenarbeit, indem z.B. eine Gaststätte das Catering für die Veranstaltungen in den Dorfgemeinschaftshäusern übernimmt.
  
2. Was sind wichtige Argumente für das Leben und Wohnen im Dorfkern?

Eine Vielzahl von Argumenten für das Leben und Wohnen im Dorfkern wurde gesammelt:
  • der Dorfkern als „Schmelztiegel“, in dem mehrere Generationen zusammen kommen, der lebendig ist, über Verweilmöglichkeiten verfügt, Atmosphäre hat und wo man „alles Wichtige mitkriegt“,
  • der Dorfkern bietet durch das Gemeinschaftsleben auch Sicherheit,
  • die bestehende Infrastruktur im Dorfkern ist essentiell,
  • das Vorhandensein verschiedener Nutzungen hat besonderen Reiz,
  • Identifikation mit gewachsener Struktur und durch besondere Gebäude,
  • beim Bauen im Dorfkern entstehen keine zusätzlichen Erschließungskosten.

3. In welcher Weise kann eine Gemeinde als Flächenmanager auftreten?

 Die meisten der Gesprächsteilnehmer waren der Meinung, dass die Gemeinde einen Rahmen beim Flächenmanagement vorgeben sollte. Einige Anwesende stellten eigene Strategien zur Aktivierung von Flächen vor oder machten entsprechende Vorschläge. Dazu gehörten:
  • Maßvolles Ausweisen von Neubaugebieten, um die Attraktivität des Dorfkerns durch Neubaugebiete nicht zu schmälern.
  • Bestandsanalysen von Flächenpotenzialen schaffen einen Überblick.
  • Steuerungsinstrumente können sein: Verkauf von Flächen im neu erschlossenen Baugebiet zu einem höheren Preis als im Innenbereich, Zahlen von Prämien bei der Schaffung von Wohnraum im Innenbereich, Vorhalten von Grundstücken in erster Linie für die eigene Bevölkerung.
  • Die Gemeinde sollte dann eingreifen, wenn kleine Flächen zusammengelegt oder zu große Flächen aufgeteilt werden sollen.
  • Ein Bebauungsplan als Steuerungsinstrument für die Aktivierung von Flächen im Dorkern kann dann sinnvoll sein, wenn die Fläche groß genug ist und die Gemeinde die Umsetzung ihrer Vorstellungen sichern will.
  • Aktivierung ist möglich durch die Wertschätzung des Dorfkerns und durch bessere Vermarktung der Flächen und Gebäude, z.B. auch für „Liebhaber“ oder Gewerbetreibende über das Internet.

 Grunderwerb durch die Gemeinde ist noch nicht überall üblich und hängt von der finanziellen Ausstattung der Gemeinde sowie von der Abwägung der Wichtigkeit im Vergleich mit anderen Investitionen der Gemeinde ab. Schwierig ist die Ermittlung des Wertes eines Grundstücks bzw. Gebäudes. Hier bestehen zum Teil Probleme aufgrund unterschiedlicher Sichtweisen von Käufer und Verkäufer. Wichtige Prämisse ist: es muss auch finanziell lohnenswert sein, im Dorfkern zu investieren oder zu bauen. Andererseits sind aber auch Idealismus von Einzelnen und langer Atem der Verantwortlichen erforderlich.     
  
4. Wie erhaltenswert ist das Alte, wie orts(-bild)gerecht ist das Neue?

 Grundsätzliche Thesen waren, dass das Alte eine neue Funktion braucht, um erhaltenswert zu sein und dass der Erhalt aus historischen Gründen wichtig sein kann. Vorgaben der Gemeinde sollten nicht zu restriktiv sein, um nicht abschreckend zu wirken, andererseits sollte auch nicht alles erlaubt sein. Erforderlich ist das Aufmerksam Machen auf Erhaltenswertes durch städtebauliche Beratung und schließlich ist auch der Mut zu Neuem wichtig. Eine historische Ortsanalyse kann helfen, um das Bewusstsein für das Alte zu schärfen.

5. Wie wichtig ist finanzielle Förderung für die Umsetzung von Dorfentwicklungsprojekten, wie notwendig sind andere Faktoren für das Gelingen?

  •  Die finanzielle Förderung von investiven Vorhaben wird als wichtiger Anreiz und als Motivation für die Dorfgemeinschaft sowohl bei Gemeinschaftsgebäuden als auch bei Privatgebäuden gesehen. Diese sollte möglichst flexibel gestaltbar sein und z.B. auch Eigenleistungen und Abrisskosten förderfähig machen. Gerade bei der Umnutzung alter Gebäude, auch großer, ehemals landwirtschaftlicher Gebäude sollen Beispiele aufgezeigt werden, wie günstiges Bauen möglich ist.
  • Eine Kombination aus Eigenleistung und Zuschuss erscheint Erfolg versprechend. 
  • Vereine und Leben im Dorf sind essentielle Voraussetzung für die Umsetzung von Projekten. Das Ehrenamt braucht auch Anerkennung.
  • Eine funktionierende Dorfgemeinschaft kann Motivation sein. Diese gilt es zu halten bzw. zu entwickeln, sowohl mit Hilfe von Infrastruktur (Gemeinschaftshäuser, Dorfplatz, Ruhe- und Gemeinschaftszonen) als auch mit Hilfe von organisatorischen Maßnahmen wie einer Nachbarschaftshilfe oder Vereinen.
  • Die Menschen im Dorf brauchen eine Perspektive, Visionen und ein Gesamtkonzept für ihr Dorf. Diese gilt es zu entwickeln, zu diskutieren und immer wieder zu präsentieren. Dieser Prozess soll für die Bürger transparent gestaltet werden und die Möglichkeit zur Teilnahme bieten. 
 
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